Nathalie Stappert, inspired by Jennifer Wiebking.
Lässt sich Moral teilen: hier ethisch korrekt, hier nicht? Ich würde sagen nein. Aber ich sehe, dass es manchmal nicht leicht ist, seine Werte konsequent auf allen Ebenen durchzuziehen. Seit heute habe ich eine Lösung mehr.
Ich habe den interessanten Artikel „Nachhaltige Mode – Das geht uns an die Haut“ gelesen. Die Autorin Jennifer Wiebking stellt darin die Frage, ob wir nach dem Aufblühen des Statussymbols BIO-Essen in Zukunft wohl BIO-Mode als Statussymbol erachten werden?
Auf den ersten Blick wäre es naheliegend. Nach den schlimmen Filmen über die Massentierhaltung, die zum BIO-, vegetarischen und veganen Essenstrend geführt hat… sollte man meinen, dass die schrecklichen Bilder über Tierquälerei oder auch die einstürzenden Bauten, unter denen die unter elenden Bedingungen arbeitenden Näherinnen begraben wurden, dieselbe Konsequenz in der Mode nach sich ziehen.
Tun sie aber nicht. Die im Artikel genannten Gründe sind ernüchternd :
MORALISCH? GERN, ABER (NOCH) NICHT KONSEQUENT AUF ALLEN EBENEN
- „Shopping ist für viele Menschen eine Art, sich zu belohnen; nicht mit Dingen, die man kaufen sollte, weil sie korrekt sind, sondern mit Sachen, die man unbedingt haben will, und zwar sofort.“
- „Aus dem Essen ist eine Art Ersatzreligion geworden. Man ist, was man isst, das war noch nie so zutreffend wie heute. Bio-Mode ist noch keine Belohnung, anders als in diesem Fall das Bio-Essen. Dabei gibt auch die Kleidung, die man trägt, der Persönlichkeit eigentlich den letzten Schliff.“
- „Um ethisch korrekt produzierte Ware zur Norm zu machen, müsste man wohl den Kapitalismus auskoppeln. Bei der Lebensmittelindustrie wäre es nicht anders.“
MIT ETWAS GLÜCK IST ES NUR EINE FRAGE DER ZEIT, BIS SICH DAS ÄNDERT
Im Artikel ist mehrfach die Rede von „drei Hüllen“. Die erste ist das Essen. Was unmittelbar in den Körper gehört, muss für Menschen heute am ehesten sauber und korrekt produziert sein. Die nächste Hülle ist die Kosmetik (Trend zu Beauty-Produkten auf Naturbasis). Die dritte Hülle ist dann jene, die auf der Haut liegt. Die Fachleute sagen, unsere Prioritäten gehen von innen nach außen – somit kommt der Aspekt Kleidung erst zum Schluss ins Bewusstsein.
Jennifer Wiebking hat am Ende ihres Artikels eine schöne Übersicht von GET CHAINGED (THE FAIR FASHION NETWORK) eingestellt. Sie zeigt auf, wo Sie nachhaltige Mode beziehen können, angefangen von Dessous bis hin zu Oberbekleidung, für den Mann und für uns Frauen. Sie vereint so verschiedene Modestile, dass für jeden etwas dabei sein dürfte.
Vielleicht beschleunigt das ja unseren Wandel auf der dritten Stufe etwas.
Ich habe mich gefreut zu sehen, wie stark sich die Optik nachhaltiger Mode inzwischen (nach meinem Geschmack) zum Positiven verschoben hat. Nicht mehr moralisch korrekt, aber primär körperfern und praktisch – sondern jetzt auch ausgefallene Schnitte, die die weibliche Shilouette nachzeichnen, und dazu passende feminin sinnliche Materialien. Auch die Farbauswahl ist größer und die Farben intensiver geworden. Beides war ein Grund, weshalb es mich in der Vergangenheit nur selten zu nachhaltigen Labels hingezogen hat.
Meine Einstellung zu Nachhaltigkeit zeigte sich vor allem darin, nicht alle paar Wochen neue Kleidung zu kaufen (Nachhaltigkeit). Der Menschenrechte und des Naturschutzes wegen keine stone washed Jeans zu kaufen (zumindest theoretisch, denn ich trage eh keine Jeans). Cashmere- /Alpaka-Pullover und dgl. made in China aus Tierschutzgründen konsequent außer Acht zu lassen…
Aber auch keine Edelsteine oder Schmuck zu kaufen, bei denen Steine – durch künstliche radioaktive Verstrahlung oder in Unterdruckkammern – genötigt werden Farben anzunehmen, die in der Natur nicht vorgesehen sind… Doch zurück zur Mode.
MEIN AUGE IST GLEICH BEI ANN TOUSSAINT HÄNGEN GEBLIEBEN
GET CHAINGED schreibt über das Label: „Ann Toussaint ist durchgängig fair und ökologisch: die verwendeten Materialien sind organisch zertifiziert und die Produktion findet in Europa unter den hier geltenden sozialen Standards statt. Auch die Preise sind fair und moderat, leistbar für Normalverdiener. Das Studium bei Vivienne Westwood und die Mitarbeit bei Azzedine Alaia prägen die Arbeitsweise der Designerin Annette Lutz. Der Stil ist schlicht, das Augenmerk liegt auf der Schnittführung. Recherchen in der Kunstgeschichte sind meist der Ansatzpunkt für neue Kollektionen.“
Ich kenne eine kleine Boutique in Frankfurt, die einen sehr ähnlichen ausgefallenen Kleidungsstil führt. Allerdings meines Wissens nicht nachhaltig. Wenn ich ihre Sachen trage, werde ich jedes Mal nach der Adresse gefragt. Vielleicht sollte ich das nächste Set bei Ann Toussaint kaufen und unterstütze so, die dritte Stufe in Frankfurt anzuschieben. Einen Versuch wäre es wert.
Und sonst tue ich es einfach für mich. Es fühlt sich gut an, seinen persönlichen Werten treu zu folgen. Und wenn das dann auch noch so schön aussieht… was will ich mehr?
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